Tag 15 – Tauben.

Es war einmal ein älterer Herr, der jeden Sonntag damit verbrachte, die kleinen Spatzen am Markt zu füttern. Er wählte immer dieselbe Bank und warf immer die Krumen des gleichen Brotes, Paderborner Landbrot, vor sie hin. Nach und nach stießen immer mehr Tauben dazu, und nach etlichen Sonntagen kam der Mann in Rente und fütterte die Vögel jeden Tag. Er begann, leise mit ihnen zu reden, und die Tauben verdrängten die Spatzen und ließen sich auf seinem Knie nieder.

Bald war der Mann umringt von Tauben, sie saßen auf seinen Knien und Schultern und der ganzen Bank, und er wippte beim Gehen, wenn er sie verließ, ihnen gleich mit dem Kopf. Die Tauben schissen und schissen, und die ganze Bank war ein einziges Weiß. Sie sind für mich da, erzählte er allen, die ihn zurechtweisen wollten.

Der Guano, der sich in etlichen Schichten abgelagert hatte, fraß an der Bank, und eines Tages brach sie unter dem Mann zusammen, und die Tauben flogen vom Krachen erschrocken empor und ließen sich auf den nächsten Dächern nieder und der alte Mann erlitt einen Herzinfarkt und starb, einsam und allein, und gurrte ein letztes Mal.

Vielleicht sind Stadttauben unsere Nemesis. Sie leben von dem, was wir fallen lassen, von unserem Überfluss, und aus diesem Überfluss produzieren sie ihren ätzenden Guano und zeigen uns mit dieser alles zerfressenden Scheiße, dass alles irgendwann endet, was wir als zeitlos erachten. Jeder Taubenschiss ist also eine kleine Botschaft: Sehet, was euer Überfluss bringt – nix. Und ihr macht alles kaputt dadurch und hinterher wird gejammert!